Die 5. Schweiz – und ihr Bankkonto

Die Fünfte Schweiz stimmt progressiv und liberal. Beim Bankkonto drückt jedoch seit längerem der Schuh. Es bedarf einer Lösung mit liberalem Augenmaas, welche aber der internationalen Mobilität unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger Rechnung trägt.

Jeder zehnte Schweizer lebt im Ausland. Bildete diese sogenannte Fünfte Schweiz einen eigenen Stand, so wäre sie der drittbevölkerungsreichste Kanton, hinter Zürich und Bern und gleichauf mit der Waadt. Eine spezifische Vertretung ihrer Bürgerinnen und Bürger im Ausland, wie dies Frankreich oder Italien kennen, sieht die föderale Ordnung der Schweiz nicht vor. Der Bund garantiert jedoch die politischen Rechte bei nationalen Abstimmungen und Nationalratswahlen. Abgestimmt wird dann in der letzten Wohnsitzgemeinde. Im Schnitt stimmt die Fünfte Schweiz übrigens für mehr aussenpolitische Öffnung und eine weniger restriktive Migrationspolitik als ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger im Inland. Sie stimmt aber auch in gesellschafts-  in wirtschaftspolitischen Fragen klar liberaler. Die FDP hat also durchaus das politische Angebot, um auch in der Fünften Schweiz zu punkten.

Das Bankkonto

Trotzdem gibt es politische Themata, welche die Fünfte Schweiz besonders beschäftigen. Neben der Forderung nach e-voting, welche gerade die oft unzuverlässige briefliche Stimmabgabe aus dem Ausland vereinfachen soll, betrifft dies vor allem eines: das Bankkonto in der Schweiz. Im Zuge der Finanzkrise wurde es für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer zunehmend schwierig, in der Schweiz ein Konto zu führen. Berechtigte Massnahmen gegen Geldwäscherei und Steuerhinterziehung in verschiedenen Ländern, oft gepaart mit regulatorischem Übereifer, veranlassten hiesige Banken, ihre Kundenbeziehungen ins Ausland zu künden, deren Kosten massiv zu erhöhen oder sie unattraktiv zu machen. Die Postfinance beispielsweise kündete ihren Kunden im Ausland abrupt das Kreditkartenangebot.

Ein Bankkonto in der Schweiz ist jedoch aus verschiedenen Gründen wichtig. Sei dies zur Auszahlung der Rente (die AHV kann nicht in alle Länder ausbezahlt werden), der Vorsorge in der 3. Säule, dem Abschluss einer Krankenversicherung, der Verwaltung von Immobilien oder einfach für das Einrichten des Sparkontos für das Enkelkind in der Schweiz. Entgegen dem gängigen Klischee verweilen viele Auslandschweizer zudem berufsbedingt und für eine absehbare Zeit im Ausland. In Zeiten internationaler Mobilität wird das Bankkonto in der Schweiz damit zum ökonomischen Grundpfeiler der eigenen Biographie.

Die Postfinance in die Pflicht nehmen

Diese Sorgen der Fünften Schweiz blieben im Parlament nicht ungehört. Leider schossen politische Vorstösse anderer Parteien in der Sache oft über das Ziel hinaus, indem sie den berechtigten Anliegen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürgern im Ausland die Wirtschaftsfreiheit im Inland opfern wollten. Ansätze, welche private Banken generell zu einer Kundenbeziehung auf dem ganzen Globus - und  der Übernahme der damit verbunden Risiken - zwingen, stellen keine liberale Lösung des Problems dar.

Einen anderen Ansatz verfolgt nun eine im Nationalrat auf Vorschlag und mit Unterstützung der FDP bereits angenommene Motion der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates. Sie verlangt von der im Eigentum des Bundes stehenden Post, dass "Auslandschweizerinnen und -schweizer zu ähnlichen Konditionen wie in der Schweiz Zugang zu den Dienstleistungen von Postfinance, einschliesslich des Kreditkartenangebots,“ erhalten. Die Postfinance hat bereits heute die Pflicht, die Grundversorgung im Inland sicherzustellen. Es handelt sich bei der Forderung also nicht um ein Privileg der Fünften Schweiz, sondern um die Beseitigung einer Diskriminierung. Wichtig ist auch, dass die Vorgabe Spielraum in der Anwendung zulässt. Einerseits sind Ausnahmen für sanktionierte Länder wie Nordkorea notwendig und möglich. Andererseits ist es durchaus verständlich, dass die Bank für eine Kundenbeziehung ins Ausland höhere Gebühren für anfallende Kosten verrechnet. Nur sollen diese nicht ein Vielfaches des Angebotes in der Schweiz betragen dürfen. Eine fortschrittliche Schweiz tut gut daran, ihre Erfolgsrezepte mit liberalem Kompass den Anforderungen internationaler Mobilität anzupassen.

 

Autoren: Laurent Wehrli, Nationalrat VD und Roger Kölbener, Präsident der FDP International