Freunde in Europa

Vom 1. bis 3. Dezember hat in Amsterdam der 38. Kongress der liberalen Parteien Europas stattgefunden. Die FDP war mit 9 Delegierten aus verschiedenen Kantonalparteien vertreten und durfte viel Inspiration, aber auch eine Gewissheit mitnehmen: Die Schweiz hat sehr wohl liberale Freunde in Europa.

Der jährliche Kongress der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa, kurz ALDE, ist eine grosse Sache: 1000 Liberale aus ganz Europa, 5 EU Kommissarinnen und Kommissare, 8 liberale Regierungschefs, Parteivorsitzende wie Christian Lindner der deutschen FDP, Reden und Podiumsdiskussionen, Workshops und Seminare aus den Bereichen Kampagnen und Politik, 23 Resolutionen, Wahlen des Präsidenten und der Vorstandsmitglieder sowie unzählige spannende Gespräche und Kontakte. ALDE ist sowohl die Dachorganisation der liberalen Parteien Europas als auch deren Fraktion im Europäischen Parlament und im Europarat, wo ihr auch die Schweizer Abgeordneten aus unserer FDP angehören. Für die Parteien aus EU-Mitgliedsstaaten ist ALDE zudem die Wahlkampfplattform für die Wahlen des EU Parlaments und der Kommission. Letzteres gibt der Organisation auch eine durchaus positive Dynamik, denn es geht schliesslich um ein gemeinsames Ziel: Wahlen! „Liberals must unite“, pflegt der in Amsterdam wiedergewählte ALDE Präsident Hans van Baalen nicht von ungefähr zu sagen.

Das eigentlich bemerkenswerte an ALDE ist denn auch die gelebte Einheit in der Vielfalt. Zuerst die Vielfalt. ALDE umfasst 60 Mitgliederparteien aus allen Himmelsrichtungen des liberalen Spektrums und aus teilweise völlig unterschiedlichen politischen Kontexten und Kulturen. Viele davon sind Oppositionsparteien, welche bestehende Machtstrukturen mit dem Ruf nach wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Freiheit herausfordern. Bei den Parteien in Osteuropa, aber auch bei den Ciudadanos in Spanien, steht der Kampf gegen Korruption und für den Rechtsstaat ganz oben auf dem Katalog der politischen Forderungen. Skandinavische Parteien legen oft einen Schwerpunkt bei Menschenrechten und stehen ökologischen Forderungen wohlwollender gegenüber. Das Gastgeberland Holland wiederum stellt mit den D66 und der VVD sogar zwei durchaus verschiedene, aber beides erfolgreiche liberale Parteien. Und trotzdem gibt es etwas, was am Ende des Tages alle spürbar eint: liberale Werte! Eine freie und offene Gesellschaft. Offene Märkte und Freihandel. Liberale Arbeitsmärkte. Stabile Finanzen. Gemeinsame Anstrengungen in der Sicherheitspolitik. Fairness und Chancengleichheit anstatt Gleichmacherei. Eine transparente, demokratische und weniger bürokratische EU. Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Der Glaube an die Zukunft. Oder um es mit unseren eigenen Worten zu sagen: Freiheit, Fortschritt, Gemeinsinn.

Bemerkenswert ist zweitens auch die Basisdemokratie im Umgang mit dieser Vielfalt. Der wichtigste, wenn auch nicht spektakulärste, Teil des Kongresses ist die eigentliche Debatte und Abstimmung über die Resolutionsentwürfe, welche den Fraktionen im Europarat und im Europäischen Parlament die Marschrichtung vorgeben. Dabei wird minuziös jeder eingebrachte Änderungsvorschlag zu jeder der 23 eingereichten Resolutionen debattiert und abgehandelt. Thematisch reichen die Resolution von einem Freihandelsabkommen der EU mit Lateinamerika (Mercosur) über eine gemeinsame Linie in der Drogenpolitik bis hin zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und des Nuklearabkommens mit dem Iran. Die Ansichten divergieren teilweise stark, aber am Ende eint der gegenseitige Respekt und die Freude an der Demokratie. Einen Unterschied zwischen EU-Mitgliedern und Nichtmitgliedern wird dabei übrigens nicht gemacht. Und so stimmen freisinnige Delegierte aus Basel, Zürich und Graubünden am Ende eben auch über Resolutionen ab, welche letztlich dem Parlament der EU sagen, was es zu tun hat. Unter Freunden kein Problem.

Autor: Roger Kölbener, Präsident FDP International