Fair-food Initiative ist ein Etikettenschwindel

Was auf den Teller kommt, soll uns nicht egal sein. Was in die Verfassung kommt, darf uns nicht egal sein. Dieser Ansicht ist Roger Kölbener, Präsident FDP International. Warum die Fair-Food Initiative am Ende ein Etikettenschwindel sei, erklärt er in seinem Standpunkt.

Initiativen klingen oft gut. Zumindest auf den ersten Blick, zumindest dem Titel nach. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sie gerade jenen Parteien, die sich ihrer regelmässig bedienen, mehr als Marketinginstrument dienen, denn als Instrument zur echten Problemlösung. Die Grünen zeigen mit der Fair-Food Initiative, dass auch sie diese populistische Klaviatur beherrschen. Und das tun sie: Vom neudeutschen Etikett der Initiative, welches sich nahtlos als Marke ins Regal des gehobenen Supermarktes einreihen liesse, bis zur Themenwahl, die keinen kalt lässt. Denn wem ist schon egal, was auf den Teller kommt. Oder wer möchte schon unfair handeln. Ginge es nicht um einen neuen Verfassungstext, sondern um ein neues Müsli, ich jedenfalls würde mir zumindest einen Probekauf gönnen.

Leider gibt es bei Verfassungstexten keinen Probekauf – sie sind auf Dauer verbindlich. Rechtskräftig ist auch nicht das Etikett sondern der Inhalt. Im Erläuterungstext der Initiative, der auch für ihre Umsetzung massgebend wäre, erklären die Initianten, um was es ihnen geht: kurz- bis mittelfristig sollen in der Schweiz nur noch Lebensmittel nach IP-Standard, langfristig nur noch Bio-Standard, verkauft werden dürfen. Dazu soll der Bund, so der Initiativtext, Vorschriften zur Zulassungs- und Deklarationspflicht erlassen.

Die Konsequenzen einer solchen Angebotsregulierung sind einschneidend und vor allem unfair. Ein durchschnittlicher Warenkorb an Bioprodukten kostet 48% mehr als derselbe Korb, ohne Bioprodukte. Dies trifft Familien und Geringverdiener am meisten, denn für Einkommen unter 5'000 Franken pro Monat wird sich der Anteil der Lebensmittelausgaben am Gesamtbudget auf 20% steigern. Produkte werden teurer und gleichzeitig die Auswahl kleiner. Gerade ausländische Spezialitäten verschwinden aufgrund der für den Schweizer Markt erforderlichen Zoll- und Regulierungsbürokratie. Unfair ist die Initiative auch für das grenznahe Gewerbe, denn der Einkaufstourismus nimmt massiv zu. Gleiches gilt für den Tourismus, der neben Frankenstärke auch noch durch höhere Einkaufspreise bei den Lebensmitteln bestraft wird.

Weiter verlangt die Initiative, dass Schweizer Standards auch anderen Ländern aufoktroyiert werden, denn importierte Lebensmittel müssen "grundsätzlich" und "mindestens" diesen Anforderungen genügen. Sowohl moralisch als auch wirtschaftlich eine höchst problematische Forderung.

Begriffe wie "umweltschonend" oder "tierfreundlich" klingen gut, nur gibt es keine international anerkannte oder verbindliche Definition dafür. Ein Verbot von Importen aus Massentierhaltung wäre nach WTO-Regeln nicht zulässig, da Produkte nur aufgrund ihrer physischen Eigenschaft beurteilt werden können. Wie sozial und umweltfreundlich produziert werden muss, und was darunter genau zu verstehen ist, muss den Menschen dieser Länder überlassen werden. Sie müssen – und dürfen - ihrerseits einen für sie sinnvollen Kompromiss aus sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Überlegungen finden. Ihnen dieses Recht implizit abzusprechen, ist moralisch anmassend – um nicht zu sagen: unfair.

Problematisch ist auch der gesamtwirtschaftliche Aspekt, denn die Schweiz würde gezwungen, bestehende Verträge und Freihandelsabkommen zu künden, wenn sie diese nicht mehr einhalten kann. Einen Schleichweg für Schlaumeier gibt es nicht, dass hat das Bundesgericht schon während der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative festgehalten. Neue, wichtige Freihandelsabkommen, wie jenes mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten werden verunmöglicht. An unseren Freihandelsabkommen hängen aber die Absatzmärkte unserer Exportindustrie. Und damit tausende von Arbeitsplätzen sowie zwei Drittel des erarbeiteten Wohlstands der Schweiz. Sie alle werden durch die Initiative – unfairerweise – in Geiselhaft genommen.

Wie sehr die Initianten über das Ziel hinaus schiessen, zeigt ein Blick auf die aktuelle Rechtslage. Tatsächlich verlangt das Landwirtschaftsgesetz bereits heute, dass importierte Produkte die gleichen Standards einhalten müssen, wie einheimische. Nur eben unter dem entscheidenden Vorbehalt, dass sich die Schweiz in völkerrechtlichen Verträgen nicht anderweitig verpflichtet. Genau dieser Zusatz ermöglicht es, in Verhandlungen pragmatische, für beide Seiten tragbare - und politisch tragfähige - Kompromisse zu finden. Sich davon abzuwenden wäre gerade in Zeiten, in denen die Trumps dieser Welt in der globalen, auf Verträgen aufgebauten Friedens- und Wohlstandsarchitektur wie Elefanten im Porzellanladen umherirren, das völlig falsche Ausrufezeichen.

Am Ende ist die Fair-Food-Initiative ein Etikettenschwindel. Anstatt Nachhaltigkeit sinnvoll als Kompromiss im Dreieck ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Interessen zu verstehen, ordnet sie alles einem blinden ökologischen Idealismus unter. Genau deshalb ist sie in ihren Konsequenzen letztlich nicht fair – sondern unfair.

 

Autor: Roger Kölbener, Präsident FDP International